Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.08.1886
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1886-08-18
- Erscheinungsdatum
- 18.08.1886
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18860818
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-188608184
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18860818
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1886
- Monat1886-08
- Tag1886-08-18
- Monat1886-08
- Jahr1886
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
4418 Nichtamtlicher Teil. Nichtamtlicher Teil. Zur Kenntnis einer noch wenig bekannten Litteratur. Von Jacob W. Pascheles. Von der Größe und Bedeutung der in steter Entwicklung begriffenen neuen hebräischen Litteratur in Rußland und Polen und dem eigentümlichen buchhändlerischen Vertriebe derselben dürften wohl wenige meiner geehrten Kollegen eine Kenntnis besitzen, und Zweck dieser Skizze soll es sein, von derselben ein anschauliches Bild, teilweise aus eigenen Erfahrungen und Erlebnissen gewonnen, wicderzugeben. In Polen, wo von jeher der Sitz des Talmudstudinms und seiner großen Meister in allen Gebieten der hebräischen und rabbinischen Litteratur war, deren Würdigung nur in wenigen Teilen von den gelehrten Professoren Delitzsch, Strack, Wünsche dem deutschen Volke zugänglich gemacht wurde, versuchte man anfangs vergeblich die hebräische Typographie einzuführen, und obzwar im Jahre 1579 der Versuch gemacht wurde, den Talmud in Lublin zu drucken, so konnte doch aus Mangel einer guten Korrektur und des benötigten guten Papiers der Druck desselben nicht vollendet werden. Auch in Krakau schlugen ähnliche Versuche fehl und 1640 waren bereits die Druckereien in Krakau und Lublin eingegangen. Da faßte kein Geringerer als der berühmte Heldenkönig Polens, Johann Sobieski, der Wien gegen die Türken schirmte, den Plan, zur Förderung der Bildung unter den Juden seines Landes die hebräische Typographie auf seinem Erbgute in Zolkiew einzu führen *). Er gewann durch besonderes Privileg den berühmten Amster damer Drucker Uri Phöbus (dieses Privileg hat derselbe auch im Jahre 1679 in der von ihm herausgegebenen Bibel in vulgärer jüdischer Sprache abgedruckt) zur Gründung einer großen Druckerei inZolkiew, wohin Phöbus mit sämtlichem Material und Typen von Amsterdam übersiedelte. Seit jener Zeit datiert die immer mehr an Umfang und Verbreitung zunehmende Reproduktion der riesigen alten hebräi schen Litteratur in Polen und anknüpfend daran die in der Neuzeit alle Gebiete des Verkehrs und des sozialen Lebens einer den Mittelstand repräsentierenden jüdischen Bevölkerung wohlthätig beeinflussenden hebräischen Litteratur und Journalistik. Es ist wahrhaft staunenswert, das Erwachen und Erstarken einer zu den Toten oder vielmehr Scheintoten gezählten Sprache, die bei uns nur von den Gelehrten gepflegt wird, vor Augen zu sehen. — Merkwürdig genug sind es dort derselbe Verkehr und das eigenartige soziale Leben, die bei uns leider die Israeliten von der Pflege ihrer herrlichen alten Wissenschaften abziehen, welche die Impulse, ja die zwingende Notwendigkeit zur Hebung und Förderung der hebräischen Sprache bilden. Der Handel im großen vielsprachigen russischen Reiche mit den angrenzenden, gleichfalls durch Sprache vielfach ver schiedenen europäischen und asiatischen Ländern kann schon deshalb vorzugsweise von den Israeliten betrieben werden, weil die Verständigung mit den handeltreibenden Glaubensgenossen in der ihnen überall verständlichen hebräischen Sprache erfolgt; diese ist in diesem Sinne zur Handelssprache und Handelskorrespondenz bei den Israeliten geworden. Ferner fördert das soziale Leben der Israeliten, deren Ausnahmestellung im Lande durch das beklagens werte Zurückdrängen von den Höhen des wissenschaftlichen, staat lichen und bürgerlichen Lebens die Koncentrierung aller ihnen innewohnenden Intelligenz auf das geistige Erbteil ihrer Väter, das hebräische Wissen. So ist es erklärlich, daß in dem jüdischen »biAb lits« nicht so sehr der Reichtum, mit welchem zu prunken man sich wohl hütet, wie der Seelen- und Geistesadel geachtet wird, der mühsam er rungen werden muß im Wetteifer mit unzähligen Mitbewerbern um den Ehrenpreis auf dem so viele Perioden alten und neuern jüdischen Geisteslebens umfassenden Wissensfelde. Das ist noch dasselbe wiß- und lernbegierige Volk, das im grauen Altertume, als noch ringsum die Nationen gegen einander tobten oder in den Wäldern dem blutigen Waidwerk oblagen, dem Vortragenden weisen Rabbi in die Wüste nachzog oder in dichtgefülltem Lehrhause den weisen Worten des Meisters lauschte! Man muß nur die großen in gediegenem hebräischen Stile verfaßten Tagesblätter lesen, von denen zwei in St. Petersburg (Hameliz und Hajom) und eines in Warschau (Hazephira) für viele Tausende von Abonnenten erscheinen. Diese bieten ebenso wie unsere Zeitungen politische Leitartikel und Berichte, Feuilletons, wissen schaftliche Essays, Notizen aus dem Gesellschastsleben und selbst verständlich merkantile Berichte und Inserate. Dazu kommt noch eine ziemliche Zahl hebräischer Wochen- und Monatsschriften, (von denen ein Teil auch in Galizien erscheint), die gewöhnlich eine wissenschaftliche Beilage und Belletristik bringen. Dieses wäre die periodische Litteratur, wozu man noch zwei bis drei Jahrbücher von bedeutendem Umfange rechnen kann, die aber auch bleibenden Wert durch gediegene wissenschaftliche Arbeiten besitzen. Außerdem bringt der Büchermarkt fast täglich neue Erschei nungen, gedruckt in Warschau, Wilna, Josephow, Lemberg, Petrikow, Lublin re. Diese werden gern und willig — jedoch nur billig — von dem stets kaufenden Publikum ausgenommen, man möchte sagen verschlungen, so daß nur ein verhältnismäßig kleiner Teil davon zu uns gelangt. In den großen Städten durchzieht der hausierende Buchhändler mit mächtigen Paketen beladen die Straßen, kramt in den Häusern und Hotels die Nova aus,*) und da jeder gebildete Israelit eine kleine oder große hebräische Bibliothek, je nach Vermögensverhältnis besitzt, so finden sich stets Kunden und wäre es auch nur für die von mir weiter geschilderte populäre »Jargonlitteratur«. Der seßhafte Buchhändler, der einen Laden, ein Magazin besitzt oder gar in seiner Wohnung ein »Büchergeschäft« führt, hat gleich falls seine festen Kunden, die von der Ferne regelmäßig bestellen, oder im Orte selbst von einem Buchhändler zum andern wandern müssen, da bei den vielen Unterabteilungen der ausgedehnten hebräischen Litteratur jeder Buchhändler seine »Spezialität« Pflegt. Der eine führt nur halachische Werke (Talmud und Verwandtes), der andere »Biblia und Exegese«. — Jener ist Verleger und Sortimenter für Kabbala und chassidische Werke, wofür er ein eigenes Stammpublikum hat, während ein anderer die dagegen *) Siehe hierüber den Aufsatz des gelehrten verewigten Kreis rabiners Chajas Hirsch aus Zolkiew im Literaturblatt des Orient 1841. Seite 667. *) Dieser Hausierhandel mit Büchern gänzlich in Rußland verboten. ist jedoch in neuester Zeit
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder