Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.06.1908
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1908-06-30
- Erscheinungsdatum
- 30.06.1908
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19080630
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190806306
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19080630
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1908
- Monat1908-06
- Tag1908-06-30
- Monat1908-06
- Jahr1908
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bücher auch besitzen wollen, zunächst natürlich nur billige Bücher, sie haben sich aber doch schon dazu aufgeschwungen, auch einmal einen Band Göschen und dergleichen zu kaufen. Ich habe heute morgen stillgeschwiegen, weil ich der einzige anwesende Sortimenter war und eingeladen als Mitglied des Vorstandes, ich durfte also wohl in jener Versammlung heute morgen nicht reden; aber hier, wo ich unter den Kollegen vom Sortiment bin, muß ich offen erklären: Sie gehen nach meiner Überzeugung zu weit in Ihren Befürchtungen. Es ist ja möglich, daß das Scherlsche Unternehmen in seinem späteren Verlauf Auswüchse zeitigt, denen wir entgegentreten müssen; wenn aber hier gesagt wird: wir sind Bücher v e r k ä u f e r , nicht Bücher verleiher, so ist auch das schon nicht richtig, denn unter uns befindet sich eine Anzahl von Kollegen, die gegen Entgelt Bücher auch verleihen. Mit bloßen Schlagwörtern ist hier nichts getan, auch nicht damit, daß man die »Scherl-Knechte« steinigt. Man muß doch ernst sprechen, und ich habe mich gefreut, daß heute morgen wenig stens der weitere Zusatz, daß es sich hier um ein kulturfeindliches Unternehmen handle, zurückgezogen ist; das ging entschieden zu weit. Ich bin auch anderer Meinung, wenn Sie sagen: Ein Mann, der erst Montepin liest, liest nicht bessere Sachen. Sie verkennen die Kraft der Darstellung Gustav Freytags, wenn Sie meinen, nur ein hochgebildeter Mensch werde seine Bücher lesen. Fragen Sie den städtischen Bibliothekar in Elberfeld: Der läßt 100 Exem plare von Freytag zirkulieren, es sind immer Vormerkungen für die Bände da; kaum ein anderes Buch der Literatur wird so viel gelesen; ganz gewöhnliche Leute, Färberknechte aus der Farben fabrik lesen »Soll und Haben« und erbauen sich daran. Das ist so spannend geschrieben, speziell die Kämpfe an der polnischen Grenze, dazu bedarf es keiner großen ästhetischen Bildung, um das zu genießen. Ich habe mich gefreut, daß Scherl teilweise auch ernstere Sachen in den Plan ausgenommen hat, im wesentlichen aber sich auf Unterhaltungsliteratur beschränkt. Das mußte er. Von dem Standpunkte als Volksfreund wie als Sortimenter kann ich nur sagen: Der Mann mag sonst zu Angriffen Stoff genug geboten haben, aber in dieser Sache konnte ich nicht einfach erklären: »rlxags sakanas, du heißest Scherl, also die Sache taugt nichts«. Das war ich den Kollegen Engelhory und Bonz schuldig, die sich vor mir geäußert hatten, daß ich als alter Sortimenter vorurteilsfrei die Sache prüfte, und da konnte ich mich nicht auf den Standpunkt stellen, daß jemand nur dadurch, daß er Bücher verleiht, den Sortimentsbuchhandel schädigt. Vom verlegerischen Stand punkte aus die Sache zu prüfen, war nicht meine Aufgabe. Als Sortimenter bin ich der Überzeugung: Das Bücherverleihen schädigt den Sortimenter nicht, sondern es erzieht zum Kaufen. Herr Max Merseburger (Leipzig): Ich möchte nur die Aufmerksamkeit der Kollegen auf die neueste Nummer des »März« lenken, wo der sehr bekannte Maler Thoma, der die Scherlsche Unternehmung auch empfohlen hatte, in einem drastischen Briefe zugibt, daß seine Voraussetzungen irrig gewesen seien, und er entsprechende Folgerungen ziehen müsse. Herr Anton Hosfmann (Stuttgart): Ich möchte nur fragen, worauf unsere ganze Debatte hinzielt. Was wollen wir an dem Scherlschen Unternehmen ändern? Scherl wird sich seinen Plan gründlich überlegt haben, und dann mag der Verlegerverein er klären, daß er die Sache mißbilligt, Scherl wird sie doch durch führen; er wird dann vielleicht nicht, wie heute früh angeführt wurde, geschützte »Perlen der Literatur« ausnehmen können, wie bei der ersten Sammlung, aber er kann gute freie Werke genug hineinnehmen. Wenn man nun aber glaubt, daß durch das Verleihen von Büchern das Kaufen gefördert'werde, so halte ich das auch für einen Irrtum. Wenn die Leute für 5.20 Mark 52 Bände im Jahre lesen können, so ist das Lesebedürfnis der meisten gewiß um das Dreifache übersättigt, und die Leute, die heute Kolportageromane lesen und auch weiter Schauerromane lesen wollen, wird man nicht stufenweise zu Freytag führen können. Es kommt weiter in Betracht, daß sich Scherl eine über ganz Deutschland verbreitete großartige Organisation geschaffen hat durch die Vertriebsstellen der »Woche« und namentlich des »Praktischen Ratgebers.« Das Blatt soll jetzt 900 000 Auflage haben. (Zurufe: Mehr!) In Stuttgart z. B. hat er eine tadellose Organisation für dieses kleine Blättchen und verkauft es in einer fabelhaften Anzahl. Wenn Scherl in praktischer Weise für seine Leihbibliothek auf diese 900 000 oder noch mehr Abonnenten einwirkt, und das wird er unter allen Umständen tun, so hat er damit einen Leserkreis nicht nur unter den Leuten, die bisher kein Buch gelesen haben, sondern auch in den guten Familien. Das Stuttgarter Eberhard- Ludwig-Gymnasium ist eine der besten Schulen Württembergs, und da sind sehr viele Schüler auf diesen Ratgeber abonniert. Und so werden sich viele Leute durch die bequeme Zustellung der Leihbibliotheksbücher anlocken lassen und keine Bücher mehr kaufen; der Schaden liegt also auf der Hand. Nun kommt die Kehrseite: das betrifft die Verleger, die Scherl den Abdruck ihrer Bücher gestatten. Die meisten Verleger werden sich sagen: Da kriege ich für meinen Roman in einer Summe 20 000 oder 30 000 Mark, das bringt er mir in sechs bis acht Jahren nicht ein. Außerdem druckt Scherl die Firma der Verleger auf den Titel und zeigt an, daß das Buch nur im Buchhandel zu dem und dem Preise verkauft werde; er verpflichtet sich auch, das Buch nicht zu verschenken. Das schnelle Geschäft reizt die Verleger. Was wir hier Vorbringen, wird keinen Verleger abhalten, sich nach seinen Verhältnissen zu entscheiden; er wird sich einfach fragen: handelst du in deinem Interesse richtig, das Buch Scherl zu geben oder nicht? Hier eine Resolution gegen Scherl zu fassen, halte ich für wirkungslos; der Verlegerverein hätte die Sache lieber nicht in Angriff nehmen sollen. Herr R. L. Prager (Berlin): Herr Hartmann hat gesagt, man soll hier nicht mit Schlagwörtern operieren; aber er hat doch selber mit Schlagwörtern so energisch um sich geworfen, daß das ganze Haus gezittert hat. Wenn Herr Hartmann davon sprach, daß der Passus von dem kulturfeindlichen Charakter aus der Resolution des Verlegervereins weggelassen worden sei, so ist das nur geschehen, um einen ein stimmigen Beschluß zu bekommen, nachdem einige der Herren erklärten, sie hätten die Sache gefördert, weil sie geglaubt hatten, damit etwas dem Volkswohl Förderliches zu tun. Deshalb ist dieser Satz weggelassen worden, auch noch aus dem Grunde, um eine kurze Resolution zu haben, durch die auch Unternehmungen wie die Bücher des Deutschen Hauses, getroffen werden sollten. Und man konnte nicht wohl die Bücher des Deutschen Hauses als kulturfeindlich bezeichnen; höchstens die Art des Vertriebs. Wenn Herr Hartmann sagt, das Bücherverleihen an sich schädige nicht den Verkauf, so muß er da unterscheiden. Aber auch wenn man sagen würde: Die Stadtbüchereien oder die königliche Bibliothek zu Berlin oder die Universitätsbibliotheken schädigen den Verkauf nicht, so ist selbst das in dieser Ausdehnung nicht richtig; sie schädigen wohl den Verkauf; wenn sie nicht da wären, würde manches Buch gekauft werden, das jetzt entliehen wird. Da. aber eine ganze Anzahl Menschen sich nicht alle die Bücher, die sie brauchen, kaufen können, so ist es nützlich, solche Stellen zu schaffen, wo sie geliehen werden; das sind die öffentlichen Bibliotheken, unter Umständen auch die Leihbibliotheken, wo die Leute für ihr Geld lesen. Scherl nimmt aber nicht Leihgebühren, sondern sagt: Für das Leihen bezahlt ihr nichts, nur dafür, daß die Bücher hingeschickt und abgeholt werden, bezahlt ihr einen Groschen, damit sie niemand etwa zu spät oder gar nicht bekommt. Der Mann ist viel schlauer als Sie und ich. (Heiterkeit.) Was aus
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder