Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.07.1861
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- 1861-07-03
- Erscheinungsdatum
- 03.07.1861
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- Deutsch
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^ 83, 3. Juli. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 1345 — Ein Dritter betrachtet die Sache ganz einfach und plump-als kaufmännisches Fabrikgeschäft und handelt danach. Im Hause seines Fabrikgeschäfts legt er sich eine Art Harem von Schrift stellern an; im Hinterstübchen sitzen sie, vier oder fünf an der Zahl; eng geschichtet liegen Bücher vor Jedem; das Kratzen der Feder und das Knappen der Schnupftabaksdose, „einförmig un- tcrbrichts allein die dumpfe Stille". Verkommene Existenzen, verfehlte Lebenswege, zersplittertcHoffnungcn, von dämonischem Mißgeschick halb Erdrückte, -— solcher Art sind die Kennzeichen, welche bei der Litcraturkuppclci für jenen Schrifstellerharem den Ausschlag geben. Unglückliche Folterkammer, wo geistige Eunu chen neben dem gebrochenen Talent an einem Strange ziehen, wie Stier und Pegasus in einem Joche! Wir aber fragen nochmals: kann beim Unwesen solcher buchhändlcrischen Fabrikationssudelei die Literatur gefördert werden? Bis hierher sprachen wir nur von solchen Bücherfabriken, in denen cs wenigstens ehrlich zugcht und das Gesetz nicht ver höhnt wird. Es gab und gibt aber auch deren, welche auf Un ehelichkeit sich gründen und die von dem lebten und leben, was man bei andern Gelegenheiten als „Diebstahl" bezeichnet, wäh rend es gegenwärtig noch in Deutschland den Begriff eines gei stigen Eigenthums an manchen Orten nicht gibt. Doch wir beschäftigen uns nur mit den Büchern. Unsere Zeit ist ja die Zeit der Z e i t sch r i ft en; werfen wir daher einen Blick auf das Fabrikationswesen in Zeitschriften. Der Buchhändler als Redactcur ist eins der seltsam sten Geschöpfe. Voll Ueberzcugung, daß er, und nur er allein, die Bedürfnisse der Lcscwelt richtig erkennt, muß Alles und Je des bis auf die kleinste Kleinigkeit durch seineHand gehen. Seine erstcThätigkcitdcs Tages thcilt sich frühMorgcns im Bett zwischen der Kaffeetasse und seiner Zeitung. Er mengt sich in Alles; kein Leitartikel ist ihm recht, welcher nicht vorher mit ihm besprochen wurde; in jeder Eorrcspondcnz corrigirt er den Styl oder setzt in Klammern Ausrufungen und Fragezeichen hinzu; kein Buch darf gelobt werden, wenn cs nicht in seinem Verlage erschienen ist; sogar Inserate werden rücksichtslos zurückgewicsen, wenn sic ir gendwie das Verlagsgcschäft benachtheiligen könnten ; dem Schrift steller gegenüber aber ist er Blutsauger und sucht bei jeder Gele genheit für möglichst viele und möglichst interessante Mitteilun gen womöglich nichts zu zahlen. — Ein Anderer wird von der Schriftstellern angcsteckt, sobald er ein Journal besitzt, und wäh rend er früher kaum seinen Freunden einen Brief schrieb, brütet er jetzt des Nachts über Leitartikeln, bevölkert sein Feuilleton mit Rciscerinncrungen und schafft „Eingcsandtes", um es nach ein paar Tagen selber zu berichtigen und zu widerlegen.— EinDrit- ter hat bei Gründung seines Blattes einen glücklichen und wohl auch neuen Gedanken gehabt, aber von Stund an meint e^nun, daß Gedanken und Gründe bei ihm gemein sein müßten, wie Brom beeren auf dem Acker, und er will nicht nur in Alles mit hincin- rcdcn, was er versteht oder nicht versteht, sondern er ändert auch allwöchentlich seine Ueberzcugung, beauftragt heute cinenSchrift- stcllcr mit einem Beitrage und weigert sich nach acht Tagen voll Erstaunen, ihn anzunehmen, gibt alle Jahre seiner Zeitschrift eine veränderte Richtung und alle sechs Monate eine neue Einthci- lung und schwört bei jeder neuen Anordnung, daß dies das Beste sei, was jemals „auf den literarischen Markt gekommen". Der eigentliche Redactcur führt den Titel nur dem Namen nach, und wenn er bei solcher geistigen Wirrniß nicht verrückt wird, so liegt es gewöhnlich nur daran, daß er nach Verlauf von einem Jahre den Staub des Redactionszimmers von seinen Füßen schüttelt und fürbaß wandert. Die Stellung als sogenannter Redactcur ist hier noch unsicherer, als ein Ministerpvsten. — Ein besonders hübsches Exemplar eines redigirenden Buchhändlers und buchhändlcrischen Redactcurs entwickelt sich dann, wenn ein junger Verleger mit „leidlichem Gelbe und leidlichem Muthe" zur bessern Jllustrirung seiner Firma ein Journal, sei es auch nur Wochen- oder Monatsschrift, zu erwerben trachtet. Er trägt schon lange starke Sehnsucht danach und „scheut kein Opfer" der Ucbcrrcdung und Vorspiegelung. Die Tendenz ist ihm gleichgültig, vielleicht versteht er auch nichts davon; er überläßt dies der Rcdactio» und bittet nur, „ein wenig unsere Culturin- tercssen zu berücksichtigen". Im Anfänge geht auch alles gut und schön; der gekaperte Redactcur ist „mein lieber Doctor" vorn, „mein lieber Doctor" hinten. Ab-er bald ändert sich die Scene. Selbst in Eulturstaaten gibt es Landesvätcr, und jener des jungen Verlegers zählt zu den ersten. Auch möchte der verle- gcrische Landesculturist gern die allerhöchste Aufmerksamkeit erre gen, doch weiß er nicht recht, wie dies anzufangen. In seiner Noth schreibt er dem „lieben Doctor": „Halten Sie nur die erste Nummer so, daß sic Serenissimo gefällt—das Uebrige" (welches Uebrige?) „wird sich finden." Unglücklicherweise weigert sich der arme Doctor, und sofort heißt es: „die Zeitschrift wird sich nicht halten lasten." Nun wird gegen alle Erwartung der junge Unternehmer plötzlich Vorsteher eines Besserungsvereins für „lie derliche" Schriftsteller. Diese Ehre durchzuckt und durchwirbelt ihn bis in die Fußspitzen; er kennt sich vor Stolz nicht mehr, will jetzt nur noch in „moralischen Eroberungen" machen und sieht auf seinen „lieben Doctor" vornehm herab. Die Gemein schaft mit diesem dünkt ihm fast compromittirend, und er sucht sich seiner möglichst bald zu entledigen. Wie das anzufangen, weiß er recht wohl. Zuerst provocirt er Händel, dann stellt er sich beleidigt, vernachlässigt dabei die Zeitschrift und bricht, als nichts verfängt, endlich den Eontract. Und der Redactcur? ist bei un seren Zuständen halb rechtlos und wird womöglich von dem lie ber—reichen Verlags-Grünling noch als Schuldner verklagt. — Als Gegensatz zu diesem Gebaren eines an allerhöchster Eultur- gcsinnung leidenden Verlegers könnte noch ein gesinnungsloser Verleger dem erstaunten Leser vorgestellt werden, welcher eine stark reaktionäre Zeitschrift seit dem Jahre 1849 verlegte (und zum Theil redigirte), der aber seit Mitte vorigen Jahres der ver änderten Zeitströmung folgte und neben jener noch ein stark demokratisches Blatt gründete, bei dessen Redaction er sich eben falls betheiligt. Will man aber gerecht sein gegen die Buchhändler und nicht nur die Worte des öffentlichen Anklägers hören, sondern auch des Vertheidigers, so muß man gestehen, daß es für sie auch Gründe der Entschuldigung gibt. Der Bildungsgang eines jungen Buchhändlers erhebt sich in der Regel nur wenig über den Bildungsgang der meisten Kauf leute. Mit dem fünfzehnten oder sechzehnten Lebensjahre in ein Geschäft als Lehrling ausgenommen, entbehren sie meistens literarischer Belehrung und Unterweisung, bringen den größten Theil des Tags mit geistlosen Arbeiten zu und häufen sich im seltenen Falle eifrigen Selbststudiums nur den Kopf mit halb verstandenen Dingen an. Kaum erlangen sie Kenntnisse auf die sem Wege, aber Urthcil nicht. Wer nicht durch Reisen und be sondere glückliche Lebensverhältnisse sich ausbilden kann, der wird unter solchen Umständen nie geistige Selbständigkeit erlangen können, sondern wird immer im Strome des großen Haufens dem allgemeinen Zuge folgen. Deshalb wird auch jedes kleine Bestreben nach Höherem und Besserem in diesen Kreisen ange staunt und bewundert. Ein Buchhändler habe etwa ein biblio graphisches Werk mit anzucrkennender Gewissenhaftigkeit gemacht und so dem Gelehrten zum Nachschlagen ein nützliches Hilfsmittel
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