Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.08.1861
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- 1861-08-07
- Erscheinungsdatum
- 07.08.1861
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- Deutsch
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1630 Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 98, 7. August. Dcr Minister v. Westphalen beliebt unterm 14. August 1850 zu , verfügen, büß vorstehend im Auszuge erwähntes Rescript trotz des inzwischen erlassenen Gesetzes über die Presse noch zu Recht bestände, und die nach Emanirung des Preßgcsctzes anderer Mei nung gewordenen preußischen Bczirksregierungen sich nach wie vor a» das 18Z8r Rescript zu halten hätten. Und so steht die Sache heute noch! Ich will nun die in dem Rescript von 1838 enthaltenen Gründe ein wenig kritisiren. Das sub 1. angeführte Motiv, „daß auf dem Wege des Sub- scribentcnsammelns allerlei Schandschriften leicht verbreitet wer den können", ist seit der Einführung der preußischen Verfassung, nach welcher die Presse frei sein soll, und nach dem Erlasse des Gesetzes über die Presse, welches alle früher bestandenen, be schränkenden Prcßbestimmungen aufhob, entschieden ungesetz lich geworden. Der zweite vorgebrachtc Grund, „daß nämlich ein anständi ger Buchhändler resp. Autor mit Eolportage nichts wird zu thun haben wollen", mag im Jahre 1838 in dcr Thal stichhaltig gewe sen sein; daß dem tzkutemicht mehr so ist, können wir schlagend beweisen. Damals cxistirtcn nur wenige Handlungen, die überdies im Laden und durch Novitätcnsendungen (die sogar auch noch rar waren) einen so genügenden Absatz fanden, daß sic auf einen Verkehr mit dem großen Publicum nicht angewiesen waren,eben so wenig, wie das letztere an die Anschaffung andcrerDrucksachcn als eines Kalenders oder Gebetbuchs dachte. Jetzt ist die Sache eine total andere geworden. Buchhand lungen gibt cs jetzt fast mehr, als Käufer in den höheren Ständen, welche letzteren durch die Kriegs-, Thcucrungs- und politisch bewegten Zeiten an Wohlhabenheit bedeutend cingebüßt haben. Welcher von den Luxusartikeln, zu denen ja die Bücher leider immer noch gehören, in solchen Zeiten am ehesten ungckauft bleibt, ist bekannt genug. Wenn die Pfandbriefe fallen oder dcr Erntecrtrag ein ungünstiger gewesen, dann werden wohl immer noch Kleider, Schmucksachcn und anderer Tand gekauft, werden Concerte, Bälle und Theater wohl noch besucht, aber zur An schaffung von Büchern reicht das Geld nicht mehr aus, da heißt cs immer: Gott, die Zeilen sind so schlecht! Zum Glück bleibt nun uns Buchhändlern der Trost, daß sich in den letzten Jahrzchcndcn die Bildung sehr verallgemeinert hat und das Interesse an literarischen Erzeugnissen in Kreisen er wacht ist, die früher keine Ahnung davon hatten. Es ist nichts Seltenes, jetzt Gcmüsehandlerinnen, Bauern oder Handwerker eifrig in eine Zeitung oder ein Buch vertieft zu sehen, und die Verleger populärer Werke werden leicht beweisen können, daß gerade in diesen, dem Arbeiterstandc angehörcnden Volks- classcn die bedeutendste Theilnahme für ihren Verlag sich »er findet. Daher kommt es, daß die Herausgabe theurer Bücher in geringer Auflage immer seltener, die Production billiger, in Lie ferungen erscheinender Werke immer häufiger wird. Keine Ver lagsbuchhandlung, auch die größte nicht, verabsäumt jetzt, den Absatz ihrer Artikel in großer Masse zu ermöglichen. Die Eotta'schc Verlagsbuchhandlung bei der Ausgabe der Elassiker in Schillerformat und bei vielen andern Werken, F.A. Brockhaus bei seinen encyklopädischen Werken, die Dieterich'sche Buchhandlung inGöttingenbcidcnHogarth'schenBildern, Georg Reimer in Berlin, die Nauck'sche Buchhandlung in Berlin, die Rieger'sche Verlagsbuchhandlung in Stuttgart und noch viele der größten und angesehensten Firmen Deutschlands verschmähen es nicht, Subscribentensammlern auf den Umschlägen zur Colpor- j tage geeigneter Werke Extravortheile zu versprechen, halten sich also durchaus nicht für zu vornehm, diesen Absatzweg zu cultivi- ren. Gibt es nun ein grüneres Holz im Buchhandel, als Eotta und Brockhaus? Wird sich das dürre etwa für nobler halten? Es ist klar, die oben sub 2. angeführte Behauptung des Rescripts, daß kein anständiger Verleger oder Autor sich mit einem solchen Absatzwege, wie ihn das Subscribentensammeln bietet, befas sen mag, ist für die Jetztzeit auch nicht im geringsten mehr zu treffend. Nun, was bleibt denn da noch von Argumenten für Auf- cechterhaltung des Rescripts übrig? Nichts; und da dies dem preußischen Gouvernement durch eine eindringliche Vorstellung dcr Berliner Büchhändler-Corporation ebenso leicht hätte klar gemacht werden können, als dies, wie ich zu hoffen wage, in den vorstehenden Zeilen geschehen, so wäre eine Aufhebung des Re scripts, das glücklicherweise als solches auch ganz leicht durch ein Ministerialrcscript wieder für ungültig erklärt werden kann, schon längst zu ermöglichen gewesen. Warum hat die Berliner Buch- Händler-Corporation dies nicht schon längst gethan? Sollten die hin und wieder aufgetauchten andern Argumente gegen die Col- poctage schuld daran sein? Dann will ich diese doch hier sofort anführen und widerlegen, damit ihre Nichtigkeit allgemein er kannt werde. Man sagt, daß dieColporteure im Allgemeinen arge Schwindler seien. Das ist wahr, aber woher kommt das? Weil eben das Ge werbe thatsächlich bisjetzt ein halbes Schmuggclgeschäst ist, dem sich ein redlicher Mann nur selten widmen will, während sich die leichten Burschen, welche häufige Zusammenstöße mit Gewerbe- und Preßpolizei nicht fürchten, für diese Gefahren durch Schwin deleien , d. h. möglichst leichten Erwerb, entschädigen wollen. Man lasse das Geschäft nur erst ein gesetzlich gestattetes werden, und man wird schon sehen, daß sich sehr viele ordentliche Leute dafür finden werden. Man behauptet wohl ferner, daß das Colportagegeschäft den ordentlichen Buchhandlungsbetrieb stören würde; das ist aber eine total icrthümliche Behauptung. Jeder Buchhändler weiß, daß ein vermögender Mann doch nur in den Buchladen geht, wenn er ein Buch anschaffen will, und nicht von dem Colporteur kauft, so wenig, wie eine feineDameihreNähnadeln beim Hausirer ent nehmen wird. Dagegen ist es bekannt, daß die große Masse nie in einen Buchladen geht und, wie viele andere Dinge, nie ein Buch kauft, das ihr nicht ins Haus gebracht wird. Endlich verlangt Mancher doch auch eine Controls der von dem Colporteur mitgeführten Bücher im Interesse der öffentlichen Ordnung. Nun, gibt es eine bessere Controls, als daß jedem Col porteur auf sein Legitimationspapiec (Paß, Gewerbeschein u. dergl.) die Firma der Handlung geschrieben wird, für die er col- portirt? Diese Firma muß gedruckt auf allen von dem Colporteur mitgcführtcn Drucksachen zu finden sein, was sich durch das schon so üblich gewordene Aufkleben gummirter kleiner Firmenzettel sehr leicht bewerkstelligen läßt. Werden bei einer Revision durch einen Beamten bei dem Colporteur Drucksachen ohne dieses Fir menzettelchen gefunden, dann mag er wegen Gewerbesteuercon- travcntion (da er andere Waaren führt, als sein Gewerbeschein gestattet), abgesehen von der durch etwaigen gesetzwidrigen Inhalt der unlcgitimirten Drucksachen verwirkten Strafe, zur Rechen schaft gezogen werden. Ist aber eine der mit Firmenzeltelchen versehenen Druckschriften eine verbotene, — nun, dann ist der Buchhändler der verantwortliche Theil. So wenig complicict, wie diese Manipulation, ist wohl keine andere kaufmännische, und da sie geeignet ist, die letzten etwaigen
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