Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.08.1887
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1887-08-24
- Erscheinungsdatum
- 24.08.1887
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18870824
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-188708241
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18870824
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1887
- Monat1887-08
- Tag1887-08-24
- Monat1887-08
- Jahr1887
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Herr Realgymnasiallehrer vr. Keller hielt hierauf folgende An sprache: Hochgeehrte Festversammlung! In feierlicher Abendstunde sind wir hier vereint, um die fünfzigste Wiederkehr des Tages festlich zu begehen, an dem, unter dem ein mütigen Beifalle der gesamten gebildeten Welt, die Stadt Mainz ihrem größten Sohne, Johann Gutenberg, das Denkmal geweiht hat, das hier in ernster Erhabenheit zum sternbesäeten Himmel emporragt, zum Ruhme und Preise des großen Erfinders, der Mitwelt zur Freude, kommenden Zeiten und Geschlechtern zur ernsten Mahnung und zum aneisernden Sporn. Und ernste und hohe Gefühle sind es, die au dieser Stätte und zu dieser Stunde unser Gemüt bewegen: vor allem das Gefühl des Dankes, eines Dankes, der sich so wenig in Worte kleiden läßt, als der Mund eines Menschen die Fülle des Segens in Worte zu fassen vermag, den Johann Gutenberg und seine Erfindung über die Menschheit ausgestrent hat. Niemals, so lange es eine Welt geschichte giebt, hat die Menschheit einen so gewaltigen Kulturfortschritt gemacht, wie durch die großartige Leistung unseres unsterblichen Mit bürgers. Ja, erst durch Gutenbergs Erfindung konnte sie das eigent liche Ziel ihre: vieltausendjährigen Entwickelung schars und klar ins Auge fassen, das Ziel nämlich der Humanität, d i. der harmonischen allseitigen Ausbildung aller Geistes- und Seelenkräste, die eine wahr haft menschenwürdige Existenz begründet und uns dem Ideale der Menschenbildung immer mehr und mehr entgegenführt. Freilich, auch vor Gutenberg, in den Zeiten des Altertums und des Mittelalters, hat die Menschheit mit gebührendem Eifer dem Ziele ihrer geistigen Ausbildung zngestrebt und es sind einzelne Zeiten und Völker zu bewunderungswürdiger Höhe emporgestiegen. Aber so hoch wir auch die frühere Bildung schätzen, eines fehlt ihr: die breite Grund lage einer alle Glieder des Volkes umfassenden Allgemeinheit. Die Bildung, so hoch sie sich auch in einzelnen bevorzugten Geistern erhob, war auf einen kleinen Kreis, auf einzelne Stände beschränkt. Daß der Segen der Bildung in die Masse der Millionen zu dringen vermag, daß sie in ungeheuerem Umsang dem Bildungsziele zustrebt, das ist das Verdienst unseres Johann Gutenberg. Es wäre aber vermessene Überhebung, wenn wir, die Kinder der Neuzeit, glauben wollten, die Leistungen der Vorzeit seien für uns entbehrlich und wir seien zur Höhe unserer Bildung aus eigener Kraft gelangt. Nein, diese Höhe der Bildung habe» wir erreicht, weil wir die Bildungsergebnisse früherer Zeiten uns zu nutze machen konnte». Völker kommen und gehen, Jahrhunderte um Jahrhunderte verrinnen ins Meer der Ewigkeit. Aber nicht spurlos verschwinden sie. Was frühere Völker und Zeiten au geistigen Gütern erworben, davon geht nichts verloren, das bleibt der Menschheit als ein unantastbares Gut. Ein Volk überliefert es dem anderen, ein Jahrhundert dem anderen, und so rollt der Strom der Kultur unaushaltsam weiter, weil ein Volk, eine Zeit aus den Schultern der andern steht und an frühere Kultur leistungen anknüpsen kann. Was die alten Völker des Orients, was die Griechen und Römer geleistet, das liegt als kostbares Vermächtnis aufgespeichert in den Werken der alten Litteratur. Und diesen köstlichen Schatz hat Gutenbergs Erfindung uns er halten. Als die Buchdruckerkunst ins Leben trat, Ware» viele Werke der alten Klassiker vernichtet; was noch vorhanden war, drohte einem baldigen Untergange anheimzusallen. Da kam die große Erfindung; wie mit einen, Zauberschlage waren, durch den Druck vervielfältigt, die Werke der allen Klassiker in Tausenden von Exemplaren vorhanden. Vor dem Untergang sind sie bewahrt, für alle Zeiten der Menschheit erhalten. Millionen und aber Millionen schöpfen aus ihnen Be lehrung und Erfrischung, und so knüpft in ununterbrochener Kette die neue Geistesbildung an die alte an. So die neue Bildung an die alte anknüpfend, so das Licht des Geistes mit Blitzesschnelle in un zählbare Massen verbreiteno, wirkt die Erfindung des erhabenen Mannes. Und weit, wie die Fülle seiner Wirkung, reicht auch sein Ruhm. Nicht Länder, nicht Völker, nicht Weltteile, nicht Jahrhunderte, noch Jahrtausende begrenzen ihn; über Zeit und Raum hinaus ragt seines Namens Ehre, und es wird die Spur von seinen Erdentagen nicht in Äonen untergehen. Und fragen wir nun, ob hier in Mainz, der Geburts- und Wirkungsstätte des großen Erfinders, seine Jünger, die Typographen, dem großen Vorbilde würdig nachstreben, so muß es mit Freude und Stolz ausgesprochen werden, daß der Bücherdruck in Mainz auf der vollen Höhe der Leistung steht. Mit Sachkenntnis, Ausdauer und Unternehmungslust, stets bemüht, das Neueste auf ihrem Gebiete sich anzueignen, willen hier in Mainz Druckherren und Druckgehilfen in treuer gemeinsamer Arbeit zur Ehre ihres Standes, zun, Ruhme der Vaterstadt, ein Beispiel deutschen Strebens und deutschen Fleißes, oem die allseitige freudigste Anerkennung nicht fehlt Denn weltberühmt und hochgeehrt bis in die weite Ferne ist der Mainzer Bücherdruck und Buchhandel, und wenn die Mainzer Druckgehilsen alljährlich am" Johannistage das eherne Haupt dieser Statue mit dem verdienten Kranze schmücken, so ehren sie nicht nur ihren unsterblichen Meister, sie thun es auch sich selbst zur Ehre. Denn hoch und bedeutsam ist ihr Beruf: zum Wähle der Menschheit zu wirken, ist der Bücherdruck berusen. Belehrend und aufklärend, belohnend, strafend und warnend, anspornend, versöhnend, dem Guten ein Schirm und Hort, dem Bösen ein Feind, ist er die vielsprachige Stimme des Menschengeschlechts. Was seine kühnsten Geister erdacht, was seine tiessten Denker ersonnen, was der Mund seiner Dichter verkündet, was aus dem begeisterten Herzen seiner Apostel strömt, das wird durch die Zauberkunst der schwarzen Lettern Gemeingut der Nationen: Körper und Stimme verleihet die Schrift dem stummen Gedanken, Durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende Blatt. So hat die Typographie den heiligen Berus, die teueren Güter der Menschheit, die Funken ihres Gedankens, den Pulsschlag ihres Herzens zu bewahren und hinauszusenden an die Millionen Wissens und bildungsdurstiger Seelen, ein hohes Amt von reichem Segen, aber auch voll schwerer, ernster Verantwortung Und in dem Glauben an ihr verantwortungsvolles Amt muß ja die Genossenschaft der Typo graphen gestärkt und ermutigt werden, wenn sie Hinblick! auf ihren gewaltigen Meister, auf Johann Gutenberg, der mit selbstlosem Opser- mute alles hintansetzte, um seine ganze Kraft zu widmen dem Besten, dem Wohle der Menschheit. Und wenn wir uns beugen müsse» vor Gutenbergs riesenmäßigem, überlegenem Geiste, so tritt er unserem Herzen noch näher, so ist er noch bewunderungswürdiger durch seine sittliche Größe. Rührend ist es, und mit tragischer Gewalt ergreift es uns, wen» wir sehen, wie das Leben dieses Mannes, de» die Mensch heit als einen ihrer Besten ehrt, dahinfloß in Jammer und Not, in Entbehrung und Entsagung, von Unverstand, Undank, von kleinlichen Sorgen verdüstert. In einsamer Größe wandelte Gutenberg unter den Menschen; den Triumph seines Geistes verschloß er in stiller Brust; von Kummer gebeugt, endete er sein an Enttäuschung so reiches Leben. — Aber es muß dem großen Manne, als er sein müdes Auge im Tode schloß, ein tröstender Strahl der Zukunstserkennlnis geleuchtet haben und ein Hoffnungsschimmer gefallen sein in seinen brechenden Blick Und diese Hoffnung hat sich erfüllt. Was die Mitwelt dem großen Manne ver sagte, das wetteifert die Nachwelt ihm ans vollem Herzen und mit vollen Händen zu reichen: Ehre und Ruhm, Preis und Dank und des Namens Unsterblichkeit bis in die fernste Zukunft. So erfüllt sich an Gutenberg die uralte Lehre, die wir aus der Betrachtung der Welt geschichte schöpfen, die Lehre nämlich, daß im Leben der Völker wie im Leben des Einzelnen eine sittliche Ordnung waltet, die das wahre Ver dienst belohnt, und daß die Weltgeschichte, die auch das Weltgericht ist, die Namen derer, die als Wohlthäter der Menschheit erscheinen, wenn auch nach ihrem Tode, mit der Unsterblichkeit krönt. Und noch ein anderes lernen wir aus dem Beispiele unseres Gutenberg. Das ist der Glaube an die sieghaste Gewalt des sesten un entwegten Charakters. Zum wahren, zum dauernden Ruhme gehört nicht bloß Größe des Geistes, dazu gehört auch sittliche Größe. Alle die Menschen, aus welche die Welt hinblickt mit Stolz und Ehrfurcht als auf ihre unerreichbaren Vorbilder, alle die gewaltigen Naturen, die entscheidend eingegriffen haben in den Gang der Geschichte, sie ver danken ihren Wert nicht nur ihrem erhabenen Geist, sondern mehr noch ihrem erhabenen Charakter Es giebt kein Genie ohne Charakter. Was auch Schicksal, Menschenunverstand und Menschentücke ihm in den Weg legen, in Not und Trübsal, in Verkennung und Enttäuschung harrt das Genie aus und geht unwandelbar seinen Gang, im Vertrauen aus eine gerechte Weliordnung, im Vertrauen aus die durchschlagende Macht der Idee, im Glauben an seine Sendung, im Glauben an sich selbst. Solch eine Mustergestalt der Menschheit ist Johann Guteuberg Nicht der Scharsblick seines Geistes, nicht die Kühnheit seines Gedankenfluges haben ihm den Sieg verliehen, sondern, daß er sich selbst treu blieb, er zielbewußt und rastlos sorlstrebte, im Glauben an seine geschichtliche Mission, im Glauben an die Güte und Sieggewalt seiner Sache. So steht Johann Guteuberg vor uns, ein Riese an Geist, ein Riese an Charakter, verehrungswürdig und erhaben, nicht nur durch geistige, sondern mehr noch durch sittliche Größe, ein mahnendes Vor bild und ein tröstliches zugleich für uns alle. Mögen wir auf den Höhen des Lebens wandeln und unser Wirkungskreis in die Weite gehen, mögen wir still und bescheiden im kleinen Raume wirken, eines haben wir alle gemein: die heilige Pflicht, mitzuwirken, jeder au seinem Teile, als ein Glied der unendlichen Kette des Fortschritts der Mensch heit. Und wenn uns manchmal Enttäuschung, Mutlosigkeit und Ver zweiflung erfaßt, da laßt uns aufschauen zu dem Bilde unseres Guten- berg, der ein Held war des Geistes und der Seelengröße. Und wie seine Erfindung das Licht der Bildung über die Menschheit gegossen, so gießt sein Beispiel auch Licht und Mut in unsere zagende» Herzen und ruft uns zu: per »»per» uck ustru! Über rauhe Bahn führt der Weg zu den Sternen! Durch Nacht zum Licht! . Nach dieser mit vielem Beifall aufgenommenen Rede sind nachdem die »Typographia« noch ein Gutenberg-Lied (»In dem Lichte, ohne Schranken«) gesungen hatte, zogen die Festteilnehmer unter Musikbegleitung nach dem »Casino zum Gutenberg«, um
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder