Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.08.1861
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- 1861-08-14
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- 14.08.1861
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1694 Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. M 101,14. August. natürlichen Austastung der Sache, für das letztere gar kein Ver- ständniß zu haben. Wir erinnern in dieser Beziehung an die Be wegung der öffentlichen Meinung bei der Publikation des Brief wechsels von H u m b o I d t und Var n ha ge n , wo, so viel uns bekannt, von dem letzteren Moment gar keine Rede war Wir können hiernach auch dem unten mitgetheilten Gutach ten des literarisch-artistischen Sachverständigen-Vercins in dem hier vorliegenden Rcchtsfalle in seiner Allgemeinheit nicht bcilrelen. Man kann unmöglich, wie es hier geschieht, den Erwerb eines Exemplars des bereits veröffentlichen Werkes im Sinne der alten Nachdruckstheoric dem Erwerbe eines Manuskripts selbst aus der Hand des Autors gleichstcllen. Wenn ferner der §.3. unseres Ge setzes vom 11. Juni 1837 sagt, daß auch der rechtmäßige Er werber eines Manuskripts der Genehmigung des Autors zum Ab druck bedürfe, so hat damit nur gesagt werden sollen, daß in dem körperlichen Eigenthum des Manuskripts nicht auch ohne wei teres zugleich das literarische an demselben enthalten ist, vielmehr besonders erworben werden muß. Daß dies aber durch conclu- dente Handlungen geschehen kann, und daß diese namentlich mit dem Acte des Erwerbes des körperlichen Eigenthums verbunden sein können, haben wir oben gesehen. In jedem Falle hat das Gesetz gewiß das nicht aussprechen wollen und können, daß auch der Erwerber des literarischen Eigcnthums noch der besonderen und ausdrücklichen Druckcrlaubniß des Verfassers bedürfe. Das Recht der Vervielfältigung und Veröffentlichung ist ein Bestand- thcil dieses Eigcnthums, bedarf daher nicht erst eines besonderen Erwerbes. Eigcnthümlich gestaltet sich aber die Frage spcciell bei den Goethe'schcn Briefen in dem „Goethe und Weither". Die ein zelnen Briefe sind, wie wir oben dargethan zu haben glauben, deshalb keine literarischen Erzeugnisse, weil sie fast alle nur persön liche Beziehungen, Ereignisse des gewöhnlichen Lebens zwischen dem Verfasser und den Empfängern besprechen, mithin nach der Ausführung oben zu I. in dicKategorie der nich t durch die Nach- drucksgesetzc geschützten Schriften und Manuskripte fallen. Will man sie dagegen in ihrer Gesammtheit deshalb als ein litera risches Erzcugniß erachten, weil sie die „Genesis von Werthcr's Lei den" enthalten, mithin in einer inner» Verbindung mit diesem stehen, so würde der eigenthümlichc, gewiß einzig in seiner Art dastehende Fall cingetrctcn sein, daß die Empfänger der einzelnen Briefe zur Zeit ihres Empfangs unbestreitbar als volle Eigen- thümer der einzelnen Schriftstücke ohne damals literarischen Eha- rakter zu dem einseitigen Vcrlagsvertragc mit Eotta unbedenklich legitimirt gewesen wären, obwohl dieser, eben bei dem Mangel jenes literarischen Charakters, kein Recht der Ausschließlichkeit erworben hätte; daß aber hinterher die Briefe in ihrer Gesammt heit diesen durch die späteren Gesetze geschützten Charakter erhal ten haben, und dadurch zwar in der Hand der Empfänger ein wcrrhvollercs, aber in diesem Werthe ihnen angeblich nicht mehr gehöriges Object wurden, dessen Ucbertragung ihnen nun, wie be hauptet wird, nicht mehr zustand. Schließlich ist zu bemerken, daß die französische Jurispru denz dem Empfänger des Brieses und jedem dritten Erwerber das unbeschränkte Recht der Veröffentlichung gibt, daß ferner zwar die englische Jurisprudenz denselben Grundsatz zu haben scheint, indcß aus dem Ätcl des Vertrauensbruchs oder der Dif famation eine aus anderem Fundament beruhende Klage ge währt. Das russische Gesetz fordert zur Veröffentlichung den bei derseitigen Consens, des Verfassers und des Empfängers. Wir theilen endlich das oben gedachte Gutachten des litera rischen Vereins in der vorliegenden Sache mit. Es lautet: „Es handelt sich im vorliegenden Falle um den Rechtsschutz an Briefen (Goethe und Werther), welche zweifellos zu den lite rarischen Erzeugnissen zu zählen sind. Da nun an solchen nur dem Urheber oder Demjenigen, der sein Recht von ihm ableitet, das Recht der Veröffentlichung zusteht, so ergibt sich, daß dies in dem Bricfschreiber und dessen Erben ruhe und nur von diesen auf einen Verleger übergehen könne. Unzweifelhaft gelangt der Empfänger eines Briefes in den Besitz und das Eigenthum des selben, als einer körperlichen Sache; er kann ihn verschenken, ihn vernichten. Diese Auffassung findet sich schon im römischen Rechte auf frappante Weise durchgcführt (vgl. I. 65. pr. llo soquirencio eerum llomiliio (41. 1.), l. 12. §. 12. manllsti (17. 1.), I. 14. H. 17. ll« kurtis (47. 2.). Aber das sogenannte geistige Eigen thuman einem Briefe, als an einem literarischen Erzeugnisse, das Recht, den Brief zu veröffentlichen und durch Veröffentlichung zu nutzen, hat der Schreiber, indem er den Brief an den Em pfänger adressirt hat, nicht auf diesen übertragen. Wer aus dem rechtmäßigen Besitze des Briefes das sogenannte geistige Ei genthum an demselben hcrlciten wollte, würde sich des nämlichen Arguments bedienen, durch welches ehemals der Nachdruck ge rechtfertigt, aber auch gekennzeichnet zu werden pflegte. Da N. ein Exemplar des Originals für scinGeld erworben, so könne er von die sem seinem wohlerworbenen Eigenthum jeden beliebigen Gebrauch machen. Nachdem dies Argument durch die Gesetzgebung aller gebildeten Völker beseitigt worden, ist keine Veranlassung vorhan den, bei der vorliegenden Frage darauf zurückzukommcn, und man wird, selbst wo positiv-gesetzliche Bestimmungen zur Ent scheidung der Frage fehlen, den Bricfschreiber als den Inhaber und Träger des sogenannten geistigen Eigcnthums mit allen prak tischen Folgen desselben anerkennen müssen. Einen besonderen Anhalt für diese Auffassung der Sache bietet überdies der H. 3. unseres preußischen Gesetzes vom 11. Juni 1837. Denn danach bedarf es zum erlaubten Abdruck von Manuskripten aller Art, folglich auch von Briefen (mindestens von solchen Briefen, wel chen der Charakter eines literarischen Erzeugnisses beiwohnt), der Genehmigung des Autors oder seiner Rechtsnachfolger. Und die ser Genehmigung bedarf auch der „rechtmäßige Besitzer" eines Manuskripts (oder einer Abschrift desselben), folglich auch der Em pfänger eines Briefes, der ja vermittelst des Empfanges nur zum rechtmäßigen Besitzer des Manuskripts wird, nicht aber in das Autorrecht succedirt. In der Praxis stellt sich allerdings der Uc- bclstand heraus, daß Briefe gewöhnlich im Besitze des Empfängers und der Erben desselben, als Derjenigen sind, die kein Recht zu ihrer Vervielfältigung haben, während die Berechtigten, der Bricfschreiber und dessen Erben, thatsächlich nicht im Stande sind, ihr Recht auszuüben, da sic sich nicht im Besitze des Ma nuskripts befinden. Die Schwierigkeiten, die aus dieser Sach lage fast in jedem einzelnen Falle entstehen, können aber die Auf fassung des Rechtsverhältnisses nicht ändern; cs ist vielmehr die Aufgabe des Herausgebers, sich mit beiden Theilen zu einigen. Dies ist im vorliegenden Falle nicht geschehen. Die Kcstncr'schen Erben haben kein Recht zur Veröffentlichung der Goethe'schcn Briefe, sie konnten dasselbe daher auch nicht auf die Eotta'sche Buchhandlung übertragen. Gegen diese ist deshalb durch den Wiederabdruck der Goethe'schcn Briefe ein vom Gesetz verbotener Nachdruck nicht verübt. Die Goethe'schcn Erben, gegen welche ein solcher Nachdruck verübt sein mag, haben nicht geklagt." In Folge dieses Gutachtens ist die bereits eingcleitete Nach drucks-Untersuchung eingestellt, indem die Staatsanwaltschaft er klärt hat, die Anklage nicht erheben zu wollen. Eine gerichtliche Entscheidung über die Streitfrage ist aus diesem Grunde nicht erfolgt. (Archiv für Prcuß. Strafrecht, von Goltdammer.)
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