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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.08.1861
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1861-08-19
- Erscheinungsdatum
- 19.08.1861
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- Deutsch
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1724 Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 103, l9. August. ser Schrift zu fördern, um, der Sorge für die frühere Arbeit entledigt, mit ganzer Seele dem neuen Gedanken nachzuhangen." Man sieht, Maternus war guten Murhes; auch wurde er erst unter Domitian zum Märtyrer der Denk- und Redefreiheit. Nicht anders verhielt es sich mit der Prosa, der Wissenschaft. Auch der Historiker Titus Labienus hatte unter Augustus seine Zeitgeschichte öffentlich vorgclesen; der Rhetor Seneca, un ser Berichterstatter, war selbst sein Zuhörer gewesen. Man be denke demnach wohl, daß, ehe die Verfolgung eintrat, sein Werk schon durch die Vorlesung mindestens unter Hunderten, und durch diese wieder unter Tausenden seine Wirkung fortgepflanzt hatte. Welches Aufsehen und welche Spannung müssen nicht die Worte erregt haben, womit er vom Katheder herab beim Ue- berschlagcn der freimüthigsten Stellen die Hörer auf die Lectüre nach seinem Tode verwies! Hiernach und nach dem Eindrücke des Prozesses mag man den Erfolg bemessen, der dem Werke bei der Herausgabe unter Ealigula zutheil ward. Neben den Vorlesungen— denn der theatralischen Darstel lungen will ich nicht gedenken, weil sie der Gegenwart wie dem Altcrthum eigen und nur einem Zweige der Literatur förderlich sind — war allerdings die Vervielfältigung durch die Schrift das vorzüglichste Mittel, um die Kennlniß der schriftstellerischen Er zeugnisse zu verbreiten. In wie beträchtlichem Maße dieses Mittel zur Anwendung gekommen sein muß, erhellt von vorn herein daraus, daß die Verbreitung selbst, und zwar die großar tigste, die man sich nur denken kann, für die damalige Literatur an sich eine unläugbare Thatsachc ist. Oder wissen wir nicht aus Tacitus, daß die römischen Zeitungen in allen Provinzen und in allen Standquartieren ein Gegenstand eifriger Lectüre waren? Wissen wir nicht, daß, wie ihrer Zeit die Reden des Ci cero, so nachmals die Gedichte des Horaz in allen Provinzen des Reiches verbreitet wurden? Sagen nicht Ovid, Properz und Martial, daß ihre Schriften nicht nur in Rom von der gesumm ten Menge des Forums, sondern auch überall in den Städten, in den Provinzen, ja in der ganzen Welt von Jedermann gelesen würden, von Knaben und Greisen, von Jünglingen und Jung frauen, von Männern und Matronen? Insbesondere versichert uns Martial von seinen Gedichten: man könne sic in jeder Hand und jeder Tasche und aller Orten finden; sic würden von ganz Rom gesungen, von fremden Reisenden in dieHeimath mitgenommen; bei allen Völkern wären sic verbreitet, nicht minder in Vienna wie in Rom eine Licblingslectüre jedes Alters und Geschlechts, nach Bilbilis und andern Städten Spaniens nicht minder wie nach Tolosa in Gallien versandt, und selbst vom rohen Ecnturio im Getcnland und in Britannien gesucht und gelesen. Eine gleiche Verbreitung verbürgt er auch von den Werken Anderer. Wie fabelhaft groß muß also nicht die Summe der Abschriften gewesen sein, welche von jedem einzelnen dieser Autoren in der römischen Well im Umlaufe waren! Ja, wenn Martial schon am Anfang seines ersten Buches sagen konnte, seine Gedichte feien weltbekannt, beweist dies nicht, daß ganze Auflagen der selben in einer Fülle von Exemplaren zuvor schon vergriffen waren? Liegt in dem Allen nun nicht die Gewißheit, daß im Alter thum die Verbreitung der Geisteserzcugnisse durch die Schrift ihrer heutigen Verbreitung mittelst der Presse in der Regel gleich kam und in manchen Fällen sic vielleicht selbst überbot? Wer kann zweifeln, daß Martial, daß Horaz, nicht in Hunderten, son dern in vielen Tausenden von Exemplaren verbreitet war? Jene sonst unbegreiflichen Data sind uns dafür Bürge, obgleich wir natür lich die Höhe der Auflagen, die Summe der Exemplare so wenig! genau zu bestimmen vermögen, wie bei den Büchern, diejctzt tag täglich um uns her erscheinen. Hat doch nie eine Zeit dergleichen Notizen der Nachwelt anders als zufällig und gelegentlich überlie fert. Aber freilich, für blöde Augen sind nurZahlen schlagende Be weise. Und so wollen wir denn dem Ungläubigen auch damit die nen. Als Augustus das geistliche Supremat mit dem weltlichen vereinigte, consiscirte er von einem einzigen Bücherartikel, den sogenannten Pseudosibyllen, inRomnicht weniger als 2000 Exem plare. Bedenkt man nun, daß heutzutage eine Beschlagnahme in den meisten Fällen nur einen geringen Bruch der ganzen Auf lage, selten mehr als ein paar hundert Exemplare trifft, unge achtet sie doch fast immer unmittelbar oder in kürzester Frist nach derHcrausgabe erfolgt, so wird man ahnen, in wie riesenhaftem Maßstabe die Vervielfältigung jenes Artikels betrieben worden sein muß, da die Beschlagnahme nicht eher eintrat, als nachdem der Umsatz schon mehrereJahre hindurchmitvollkommenster Frei heit und Sicherheit gehandhabt worden war. Aus der Zeit des jüngern Plinius wird uns überliefert, daß Regulus eine Denk schrift über seinen jüngst verstorbenenSohn, einenKnabcn, aus gearbeitet und in zahlreicher Versammlung zu Rom vorgelesen habe. Von dieser Schrift, welche nach demAusdruck des Plinius so abgeschmackt war, daß sie eher Lachen als Trauer erregte und nicht sowohl über einen Knaben, als von einem Knaben ge schrieben schien, wurde eine Auflage von 1000Exemplaren durch ganz Italien und die Provinzen versandt, wo sie dann überall noch außerdem auf Betrieb des Verfassers in öffentlichen Volks versammlungen vorgclesen wurde. Von einer so bedeutungslo sen Gelegenheitsschrift würden doch heutigen Tages fürwahr kaum 2—300 Abzüge veranstaltet werden, und überdies würde sie weder viele Leser, noch gar öffentliche Vor leser finden. Um wie viel größer werden also nicht die Auflagen wahrhaft bedeu tender, geistreicher, talentvoller und Epoche machender Werke ge wesen sein! Wie aber war eine so großartige Verbreitung der literari schen Erzeugnisse mittelst der bloßen Schrift möglich? — Lösen wir das Räthsel mit einem Worte! Was in der Gegenwart für die Literatur die Presse ist, das war im Alterthum die Skla verei. Man übersehe dies doch nicht: für jede Presse, die heute in Thätigkeit ist, standen dem Mittelalter freilich nur wenige Mönche, den Römern aber Hunderte, ja Tausende von Sclaven- händcn zu Gebote. Und diese Sclavcn, meist Griechen, waren im Allgemeinen bei weitem wissenschaftlich gebildeter, als unsere Setzer, oder doch von Natur mit einer reichen, leicht zu entwickeln den Bildungsfähigkeit begabt. Aus ihnen rccrutirtc daher der Staat seine riesenhafte Schreibcrzunft; aus ihnen erzog sich der Privatmann seine Secrctäre, Bibliothekare, Vorleser und Eopi- sten; aus ihnen endlich ging jene zahlreiche Elasse von Freige lassenen hervor, welche vorzugsweise mit der Vervielfältigung schriftstellerischer Arbeiten und dem Buchhandel sich beschäftigte. Zunächst leuchtet nun ein, wie sehr schon die große Masse von gebildeten Privatsclavcn zur Steigerung des literarischen Ver kehrs und zur Verbreitung der Gcistesproducte beitrug. Denn in jedem angesehenen Haushalte durfte es ebensowenig an Vorlesern (snsAnostses und Büchcrabschreibern (librarii), wie an Köchen und Vorschneidern fehlen. Selbst die römischen Damen hatten unter ihren Sklavinnen eigene Vorleserinnen und Schreiberinnen (librririiie). Den Abschreibern war die Erhaltung und Vermeh rung der Hausbibliothek anvcrtraut; sie copirten die Werke, welche ihre Herren selber schrieben oder ihnen in die Feder diktie ren, und fertigten die gewünschten Abschriften fremder Bücher j an. Namentlich suchte man sich manche der neuesten Erschcinun- ! gen in dieser Weise schleunigst anzueignen; ja nicht selten geschah es, daß man einen Verfasser gleich nach der Vorlesung seines
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