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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.09.1879
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1879-09-24
- Erscheinungsdatum
- 24.09.1879
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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Erscheint Börsenblatt Äe'.trügö für da- Börsenblatt sind an die Deutschen Buchhandel und die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Eigenthum des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler. 221. Leipzig, Mittwoch den 24. September. 1879. Nichtamtlicher Theil. Uebcr russische Journalistik und russische Journalisten. Der gegenwärtige Federkrieg zwischen der russischen und der deutschen Presse hat die Aufmerksamkeit wiederholt aus die russische Journalistik gelenkt. Es ist bei dieser Gelegenheit stellenweise eine so augenfällige Nnkenntniß der russischen Prcßverhältnisse von Sei ten der deutschen Journalistik zu Tage getreten, daß eine Aufklärung über diesen Gegenstand gewiß am Platze sein dürfte. Vor allen Dingen ist hervorzuheben, daß die russische Regie rung nur ein officielles Organ, den „Urarrltslst-vonnz-vsstuili" (Regierungsbote) besitzt. Als halbosficiell kann man das „ckonrnnl Brüsseler „I-o dim-ü", welche intime Beziehungen mit dem aus wärtigen Amte unterhalten, und allenfalls noch den „llusslii In- «-nliä" (Russischen Invaliden), der vom Kriegs-Ministerium sub- ventionirt und inspirirt wird, ansehen. Alle andern russischen Zei tungen, welche nicht der Präventivcensur unterworfen sind, sind factisch unabhängig, und es kann die Regierung nur insoweit für den Inhalt derselben verantwortlich gemacht werden, wie überhaupt jede andere Regierung verantwortlich für den Inhalt unabhängiger Preßorgane ist. Ebensowenig also wie die englische Regierung für den Inhalt der „rimes", die französische Regierung für den Inhalt der „lispudligus tranpaiss", die preußische Regierung für den In halt der „Kreuz-" oder „Vossischen Zeitung" verantwortlich gemacht werden können, ebensowenig kann die russische Regierung für den Inhalt des „Ooloss", des „ttovojo tVrawja" u. s. w. verantwortlich gemacht werden, denn diese und andere große hauptstädtische Zei tungen stehen nicht unter Präventivcensur und haben einen verhält- nißmäßig recht großen Spielraum für ihre, allerdings häufig sehr eigenartigen und unbegreiflichen politischen und internationalen Ansichten. Namentlich in Bezug aus auswärtige Verhältnisse läßt die russische Regierung den Zeitungen vollständig freie Hand. Daß dies auch in innern Angelegenheiten in bedeutendem Maße der Fall ist, beweisen wohl am eklatantesten die Urtheile der Presse über die Freisprechung der Wära Ssassnlitsch; mit ganz geringer Aus nahme klatschten die sämmtlichen russischen Zeitungen der Frei sprechung ihren Beifall und die Regierung duldete diese Sympathie bezeugungen. Daß diese Freiheit häufig ausartet, ist wohl nicht zu verwundern — Analoges finden wir ja auch außerhalb Rußlands nicht selten —, wird doch die russische Presse leider ost genug durch lächerliche Insinuationen und Provokationen westeuropäischer Jour nalisten herausgesordert, und da unter den russischen Redakteurs und Zeitungsschreibern effektiv nur ein sehr geringer Bruchtheil sich einer gediegenen Durchbildung und taktvollen Urbanität erfreut, so arten natürlich Zeitnngsfehden zuweilen in höchst widrige, theil- SechSnndvierzigster Jahrgang. weise sogar pöbelhafte Wortgefechte aus. Werden nun solche un- qnalisicirbare Erscheinungen ab und zu ans Tageslicht und vor das Forum der westeuropäischen Journalistik gezogen, dann entsteht ein allgemeines Halloh, als ob die betreffenden Artikel direct aus der Kanzlei des Fürsten Gortschakow kämen oder als ob der skandal- süchtige Zeitungsschreiber sofort über bewaffnete Heeresmassen zu gebieten hätte, um das Feindesland in eine Wüstenei zu verwandeln. Wir müssen cs also hier nachdrücklichst hervorheben: die russische Zeitungsprcssc ist, namentlich in Bezug ans auswärtige Verhält nisse, relativ ebensowenig gebunden und beeinflußt, wie die Presse anderer civilisirter Staaten. Wenn man diese Thatsache einmal als feststehend betrachtet, so wird man selbstverständlich auf die Aeußerungen einzelner zuweilen unzurechnungsfähiger Journalisten keinen großen Werth legen. Daß aber dieses Factum von -der außerrussischen Presse dazu mißbraucht wird, offenkundig eine Knebelung der russischen Presse zu verlangen, das muß natürlich die ganze russische Gesellschaft auss äußerste empören und gegen diese Provocatoren aufbringen. In Rußland repräsentirt die Presse weniger wie anderswo die öffentliche Meinung. Ja, wir möchten behaupten, daß eine öffentliche Meinung in Rußland, in dem allgemein angenommenen europäischen Sinne, gar nicht existirt. Die große Masse des Volks ist vollständig apathisch und namentlich in öffentlichen Angelegen heiten total unwissend, und der verhältnißmäßig sehr kleine, gebil detere Theil ist sosehr mit seinen egoistischen, materiellen Interessen beschäftigt, daß er sür öffentliches Leben und höhere Cultnr-Aus- gaben, sobald dieselben nicht direct sein liebes Ich tangiren, gänzlich unempfindlich bleibt. Man blicke nur auf die Versammlungen der Stadtverordneten oder der Landschastsbehörden, von wie wenigen Mitgliedern dieselben überhaupt besucht werden und dann wie gleichgültig sich diese geringe Zahl zu den ihnen zugewiesenen Auf gaben verhält, und man wird sofort die Gewißheit erlangen, daß, geringfügige Ausnahmen abgerechnet, ein Interesse sür öffentliche Angelegenheiten in Rußland nicht existirt und folglich auch von einer öffentlichen Meinung keine Rede sein kann. Der Mangel eines parlamentarischen Lebens ist Grund genug, daß auch ein Parteiwesen, wie es dis Repräsentativverfassungen Europas ausgcbildet haben, in Rußland fehlt. Man spricht und schreibt zwar von einer nihilistischen, von einer slawophilen Partei — aber ganz mit Unrecht. Die verhältnißmäßig wenigen Personen, deren Gesinnung eine mehr oder minder extreme Richtung einge schlagen hat, kommen so wenig in Betracht, wie einzelne Tropfen Oel in einem mächtig großen Gefäße voll Wasser. Sie schwimmen zwar oben aus, man hat sie fortwährend vor den Augen — aber sie blü
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