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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.08.1878
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1878-08-28
- Erscheinungsdatum
- 28.08.1878
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18780828
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Erscheint außer Sonntag« täglich. — Bi» irüh » Uhr eingehende Anzeigen lammen in der nächsten Nummer zur Aufnahme. Börsenblatt Beiträge für da» Börsenblatt sind a» die Rcdaction — Anzeigen aber an die Expedition desselben zu senden. für den Deutschen Buchhandel und die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Eigenthum de» BörseubereinS der Deutschen Buchhändler. ^ 200. Leipzig, Mittwoch den 28. August. 1878. Nichtamtlicher Theil. Der Colporteur. Von Stadt zu Stadt zieht noch immer der sogenannte Col porteur seine Bahn und nimmt nebenbei auch alle die dazwischen liegenden kleinen Städtchen und Dörfer mit, damit nur so viele Leute wie möglich mit dem literarischen Schund, den er meist gleich mit sich führt und verkauft, beglückt (?) werden. Sogenannte Sensations-Romane, auch Räuber-, Geister geschichten und schlüpfrige Romane und Novellen, das sind zum großen Theil die Sachen, welche er mit sich führt und unter die Leute zu bringen sucht (auf die er arbeitet, nennt es hochtönend der Col porteur): Schriften, welche dasLaster und Schandthaten verherrlichen, oder die Phantasie der Jugend vergiften, oder aber auch solche, welche die verderblichen Lehren der Socialisten im Volke zu ver breiten suchen, kurzum größtentheils Bücher, die nichts weniger als gut, nichts weniger als volksbildend und veredelnd auf die Sub- scribenten, welche der Colporteur in allen Volksschichten zu pressen sucht, einwirken, und es ist oft nur eitel Dunst und Flunkerei, was so manche Colportagebuchhandlungen und deren Helfershelfer, die Colporteure, den Leuten von Volksbildung, Volksveredlung und dergleichen schönen Dingen mehr vorschwatzen, die sie mit ihrer Literatur fördern helfen wollen, sie flunkern Sachen vor, die sie gar nicht zu halten gedenken, gar nicht halten können. Dies Alles thun sie natürlich nur meist ihres eigenen Vortheils halber, nur um ihren Geldbeutel füllen zu können; am wenigsten handeln sie aber wohl im Interesse des Volkswohles und der Volksaufklärung. Ja, das Colportage-Unwesen (so wollen wir es nennen) ist ein Fluch unserer heutigen Zeit geworden, und es ist viel zu weit schon damit gekommen, so daß es sicherlich im Interesse des ganzen Volkes läge, wenn dasselbe möglichst wieder eingeschränkt oder aber ganz aufgehoben würde. Der Colporteur kann ein zu gefährlicher Mensch für den Staat, für die Volksverbildung werden; er schleicht sich in alle Häuser ein, verbreitet das Gift seiner schädlichen Schriften überallhin, und die Polizei kann ihn in den meisten Fällen gar nicht einmal mehr controliren. Massenwcis laufen jetzt Col porteure entweder auf eigene Faust, oder von Buchhändlern aus geschickt, oder vielleicht auch von den so sich nennenden Expedienten — einer neuen Art von Geschäftsleuten, die, früher meist selbst Col porteure, sich in den Buchhandel eingeschoben haben, und nun an die von den Exporteuren gesammelten Subscribentcn die Hefte oder Lieferungen expediren — tagtäglich in den Städten und auf den Dörfern umher, ohne daß sie die geringste Legitimation, oder Be rechtigung und Befähigung zum Colportiren haben, und die gegen das Gesetz verstoßen dadurch, daß sie überall ganz »»gescheut Bücher und Zeitschriften verkaufen und das Geld dafür baar ein- cassiren, ohne einen Gewerbeschein zu besitzen, ohne daß sie die Ge werbesteuer für ein derartiges Geschäft bezahlen, die also der Polizei, Fünfundvierzigster Jahrgang. welche in den seltensten Fällen einen derartigen Menschen abzufassen im Stande ist, ein Schnippchen schlagen. — Zum Subscribentensammeln gehören nun überhaupt auch ganz eigenthümliche Leute, die mit einer großen Portion Dreistigkeit und Unverschämtheit von Haus aus ausgestattet sind oder sich solche ange wöhnt haben, Menschen, welche, wenn sie auch eben hier erst hinaus- spedirt worden sind, sich nicht geniren, unter anderer Form alsbald wieder zu erscheinen. Der Stand der Colporteure recrutirt sich heut zutage aus allen nur möglichen Menschenrassen: aus verbummelten Genies, aus brotlos gewordenen Kauflcuten, aus Kellnern, aus von der Arbeit gelaufenen und verbummelten Gesellen, aus Lehrlingen, die nicht Lust hatten, etwas Ordentliches zu erlernen oder zu thun, aus überspannten Subjecten u. s. w.; alle dergleichen Leute betrachten jetzt als letztes und leichtestes Mittel, sich noch Geld zu verschaffen, den Buchhandel mit seiner Colportage. Und in der That wurden und werden sie auch oft in der unverantwortlichsten und leichtsinnigsten Weise von vielen Buchhändlern unterstützt, die solchen ihnen meisteu- theils bisher ganz unbekannten Personen massenweis Hefte und sonstiges Sammelmaterial übergeben, womit sie hausiren gehen können. Aber wie schon erwähnt, die Colporteure — ich meine da mit natürlich nicht alle, denn es gibt unter ihnen ja auch recht ordent liche und solide — sind ganz eigenthümliche Leute mit einem weiten Gewissen, einer weiten Tasche und einem sehr guten Magen. Da diese Leute gewöhnlich gut leben wollen, und man überhaupt auf der Reise mehr braucht als zu Hause, so essen sie gut und trinken viel, tractiren wohl auch noch hier und da die Personen, welche sie zum Subscribiren heranziehen wollen, mit Wein oder mit einigen Schnäpsen. Der Colporteur macht ferner auch gern in den Wirths- häusern, die er frequentirt, sein Spielchen Schafskopf, Solo oder Sechsundsechzig; er schneidet gern auf und sucht sich ein ge wisses Ansehen zu geben, gleichsam als sei er nicht Colporteur, son dern ein (üoraiuis vo^uAöur, und da zu dem Allen gewöhnlich seine Baarschaft nicht ausreicht, namentlich wenn das Geschäft nur irgend flau geht, so ist er zu Gewaltschrittcn veranlaßt, die meist darin be stehen, daß er in den Wirthshäusern dritten oder vierten oder fünften Ranges, die er mit seiner Gegenwart beehrt, Schulden macht oder sonst einen kleinen Pump anlegt und dann eines schönen Tages spurlos verschwunden ist. Ist er aber ehrlicher, so läßt er wohl seinem Wirthe seine ganze schöne Literatur zum Unterpfands da mit dem Versprechen, sie nach einigen Tagen wieder auszulösen, was aber gewöhnlich nicht geschieht, weil er dazu nicht im Stande ist, und der vertrauensselige Wirth, der geglaubt hat, Wunder was zum Unterpfande für sein geborgtes schönes Geld empfangen zu haben, muß die traurige Erfahrung machen, daß ihm für eine Menge erste und' zweite Hefte der schönen Literatur, die ihm der Col porteur verpfändete, von irgend einem Herings- oder Käsehändler nur ein paar plunderige Pfennig geboten, resp. gezahlt werden. 456
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