Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten Srsehäktszwcige. Hcrausgegeben von den Deputieren des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. R^dack-ur: Otto Aua. Schulz. Commissionnair: A. Frohbergcr. 17. Freitag, den 23. April 1834. Gesehkunde. Uober die Gesetzgebung der Presse in der Schweiz. Von 3,'. Kasimir Pfyffer, Präsidenten des Appeilalionsgcrichts in Luzern. (Beschluß.) „Indem wir diese vier angeführten, so wie alle Prcß- gesetze überhaupt beurtheilen, drängt sich uns zuerst die Frage auf: Ist ein eigenes Preßgesetz in einem Staate ersprießlich oder gar nothwendig? — Die Beantwortung dieser Frage hangt davon ab, ob die Preßvergchen wirklich Vergehen eigener Natur sind, wo für es also auch ganz eigener Bestimmungen bedarf. Wir halten aber dafür, daß dieses der Fall nicht scy, und zwar aus nachstehenden Gründen. Das Werkzeug, womit ein Vergehen verübt wird, kann die Natur des Vergehens nicht verändern, son dern höchstens die Strafbarkeit desselben erhöhen.— Es gjebt vorzüglich drei Werkzeuge, wodurch man seine Gedanken Andern mittheilen kann, die Stimme, die Feder und die Presse. Durch dieStimme geschieht die Mutbeilung vorübergehend in engem Raume, durch die Feder auch in weite Entfernung, und durch die Presse nach allen Richtungen. Injurien und Ver- läum düngen, Aufreizung zum Widerstand oder Aufruhr, geschehen selbe mündlich, schriftlich oder mit telst des Drucks, bleiben ihrer Natur nach die gleichen Vergehen, wohl aber mag eine gedruckte Gedankenauße- rung, wenn selbe ein Vergehen enthalt, strafbarer seyn als eine bloü mündliche oder eine einfach schriftliche, weil die Verbreitung bei dem Druck größer ist. Eben so wenig als man Stimmvcrgehen oder Federver gehen als besondere Arten von Vergehen annimmt, eben so wenig giebt es eigentlich Preßvergchen. Weher kommt cö denn aber, daß man besondere Preß- 1. Jahrgang. gefttze aufstellt? Es giebt praktische Jrrthümer in der Gesetzgebung zu allen Zeiten. Sie bilden sich oft durch einzelne Vorgänge, wurzeln dann tiefer und werden auf einmal allgemein. Ein solcher Irrthum ist die Idee eines eigenen Preßgesetzes. Er ging aus von dem „Entwürfe eines Gesetzes gegen die Preßvergchen^, der vonSii-pes im Jahre 1790 der französischenNa- tional-Versammlung vorgelcht wurde. Er wurde dann von andern Staaten, so wie sie die Ecnsur abschafften, nachgeahmt» Diese hier entwickelten Ansichten auf die vorliegen den und die bekannten Preßgesetzgebungen überhaupt be zogen, finden wir, daß dem luzernischen Gesetze im Maße wie keinem andern die richtige Idee zum Grunde liegt, indem dcr tz. 5. sich ausdrückt: „Hinsichtlich der Bestrafung der Verbrechen und Vergehen, welche durch Mißbrauchung der Preßfreiheit verübt werden, gilt als Regel: daß Jeder für eine in Druck gegebene Aeußerung aus gleiche Weise verantwortlich ist, und die betreffenden Strafgesetze auf ihn angewendet werden sollen, wie wenn er die Aeußerung mündlich gethan hatte." Die Oeffent- lichkeit der Aeußerung eignet sich zu einem Scharfungs- grund und ist von dem Richter zu berücksichtigen, wo das Gesetz eine Abstufung in dcr Skrafmeffung einraumt. Ebenfalls stellt kein Gesetz den Begriff der Preß freiheit mit solcher Bestimmtheit auf wie das luzerni- sche in seinem §. 1. Die sonst gewöhnliche vage Bestimmung gegen Re ligion oder Sittlichkeit, ohne daß gesagt wird, was dieses für Vergehen jenen, erscheint in dem Luzornischen Gesetze nicht, wodurch es sich ebenfalls vortheilhaft auszeichnet. Die angeführten Preßgesetzgebungen der Schweiz enthalten alle besondere Bestimmungen hinsichtlich der Beleidigung eidgenössischer Mitstande oder fremder be freundeter Staaten. Da die allgemeinen Strafbestim mungen die Verhältnisse des einen Staats zum andern gewöhnlich nicht berühren, so ist allerdings in einem Preßgesetzc auf diese Verhältnisse Rücksicht zu nebMeü 17