Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.11.1870

Börsenblatt Deutschen Buchhandel und die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Eigenthum »e« BörsendereioS »kr Deutschen Buchhändler. 259. —— Leipzig, Donnerstag den 10, November. —— 1870. Amtlich Corporation der Berliner Buebbündler. Bericht des Vorsitzenden über das verflossene Vereinsjahr, erstattet in der am 28. October 1870 abgehaltenen Haupt versammlung.*) Das verflossene Vereinsjahr hat in Bezug der Verwaltung der Corporations-Angelegenheiten nach den in den letzten Jahren von Seiten der Hauptversammlung beschlossenen Maßregeln keine ein greisenden Aenderungen erlitten. Die eingeführte kleine Erhöhung der Beiträge hat die laufenden Einnahmen in angenehmer Weise vermehrt und nach demJhnen heute vorzulegenden Bericht des Herrn Schatzmeister werden Sie die Ueberzeugung gewinnen, daß unsere finanziellen Angelegenheiten sich befriedigend gestaltet haben und wir bei der zunehmenden Benutzung unserer Corporations-Anstalten hoffen dürfen, auch im nächsten Jahre Ihnen erfreuliche Resultate mittheilen zu können. Aus dem Gebiete der Gesetzgebung haben wir nur hervorzuhebcn, daß der zur Zeit unter Mitwirkung mehrerer der Herren Corpo- rations-Genossen bearbeitete Entwurf eines Gesetzes zum Schutze des Urheberrechtes von Seite» des Reichstages perfect geworden und das Gesetz selbst am I. Januar 1871 ins Leben treten'wird. Von unseren Berliner Kollegen waren bei der Berathung hin zugezogen: die Herren A. Enslin, H. Kaiser, G. Reimer, I. Springer und der Musikverleger Hr. Emil Bock. Wir haben es der Energie und Thätigkeit dieser Herren mit zu verdanken, daß dem ursprünglichen Entwürfe wesentliche Verbesserungen hinzu- getrete» sind, die von Seiten der Behörden auch größtenteils accep- tirt wurden. Der Personalbestand unserer Corporation hat sich in dem ver flossenen Vereinsjahr wiederum in erfreulicher Weise vermehrt. Es sind seit der vorjährigen Hauptversammlung neu eingetreten: die Herren F. Jahnckc — R. Mcyerstcin — E. Grosser — F. Henschel — H. I. Koppen — A. Tiye (Vertreter von Fr. Bruckmann) — 1>r. Partei (A. Dunckcr's Buch-Verlag) — O. Goedsche — F. May — H. Be necke (Amelang'sche Buchh.) — L. Simion — I. Klönnc — W. Müller (Vertreter von I. Guttentag) — Edwin Paetel (A. Duncker's Buch-Verlag) — L. Stein pell (Burmester L Stempelt u. E. Mecklenburg). Indem ich diese Herren College», sofern sie sich an unserer heutigen Hauptversammlung betheiligt haben, hiermit zum ersten Male in diesem Kreise begrüße, heiße ich sie willkommen in unserer Genossenschaft und wünsche, daß sie derselben in gegenseitigem In teresse dauernd angehören mögen. *) Durch Einberufung zur Armee war Hr. A. Duncker verhindert, die Hauptversammlung abzuhalten, und geschah dies durch den Stellvertreter des Vorsitzenden, Herrn A. Hofmann. er Theil. Ausgeschieden sind im lehtvcrflosscnen Vercinsjahr die Herren: A. Eichhofs — utheINann — R. Wegener. Unsere Corporation zählt gegenwärtig 203 Mitglieder.! Leider hat der Tod im verflossenen Vereinsjahre von unserer Corporation schwere Opfer gefordert. Wir hatten zunächst den Verlust eines unserer ältesten Mitglie der und eines der ehrenwerthesien Männer des gesammten deutschen Buchhandels zu beklagen, den Tod des Herrn Ernst Sieg fr. Mittler. Er starb am 12. April 1870 nach langen, schmerzhasten Leiden, die er mit Geduld und Ergebenheit in den höheren Willen ertrug. Geboren am 26. Juni 1785 erreichte er das ehrenvolle hohe Alter von fast 85 Jahren. Bereits im Jahre 1814 Stellung im Berliner Buchhandel nehmend, eröffnete er sein eigenes Geschäft 2 Jahre später. Von kleinen Anfängen ausgehend, gelang es ihm zur Lösung der Aufgabe, die er sich gestellt, durch höchste Zuverlässig keit und Redlichkeit, umsichtige Thätigkeit und praktischen Blick das volle Vertrauen Derjenigen zu erwerben, deren Mitwirkung er dabei bedurfte. Sein erstes Verlagswerk war die Herausgabe des „Militär-Wochenblattes". Diesem reihten sich bald eine Serie militärischer sowie geschichtlicher und geographischer Werke an. Er ward der wesentlichste Förderer der deutschen und speciell preußischen Militär-Literatur und gewann für dieselbe die ersten und bewähr testen Kräfte. Neben dieser eigenen Thätigkeit lagen aber auch die Gesammt-Interessen des deutschen Buchhandels unserem Mittler am Herzen. Er war Mitbegründer unserer Buchhändler - Börse in Leipzig und lange Jahre Vorsitzender des Unterstützungsvereines, dem er bis an sein Ende als Ehrenmitglied angehörte. Hier fand er ein weites Feld für die echte, wahre Humanität und den edlen Wohlthätigkeitssinn, der zu den besonders hervorragenden Eigen schaften seines Herzens gehörte. Dieser Sinn wohlzuthun ver- anlaßte ihn wohl auch in den Orden der Freimaurer cinzutrete», in welchem er nach und nach zu hohen Ehren gelangte. Harte Schick salsschläge trafen ihn in seiner Familie; er trug sie mit Ergebung in den Willen Gottes. Sein Leichenbegängniß gab Zeugniß von der allseitigen Liebe und Hochachtung, die der Verstorbene in so rei chem Maße genossen! — Möge er sanft ruhen! Noch ein Veteran unserer Corporation mußte in diesem Jahre das Zeitliche segnen. Es war Ludwig Oehmigkc, ein Sohn des Buchhändlers Ferdinand Oehmigke. Auch er war ein ehrenwcrther redlicher Charakter. Seine Hauptthätigkeit im Verlage widmete er hauptsächlich der Theologie und Pädagogik. Auch er gab sich mit Eifer und Liebe den Interessen des Gcsammtbuchhandels hi» und gehörte Jahre lang verschiedenen Deputationen des Börsenvereins an. Sein Wirken im Unterstützungsvcrcin müssen wir noch ganz besonders hervorheben. Lauge Jahre in dessen Vorstand, blieb er Ehrenmitglied bis zu seinem Tode. 505