für den Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Herausgegeben von den Deputaten des Vereins der Buchhändler zn Leipzig. Amtliches Blatt des Börscnvcrcins. 47. Sonnabends, den 15. Mai. 1841. Eine wahre Geschichte. Es war im Jahre 1851, zur Zeit der Jubilatcmcsse, als drei fremde Buchhändler nach Leipzig kamen, um die vielbe suchte und vielbcrühmte Messe zu sehen und selbst mitzu- machcn- Seit beinahe 20 Jahren hatten sic diese Reise pro- jektirt! Wiewohl sie einer fremden Nation angehörten, so mochte dennoch vielleicht durch irgend eine Verwandtschaft ein Tropfen deutschen Blutes gemächlich durch ihre Adern fließen; denn jene glückliche Geduld, Einfalt und Langmü- thigkcit, die uns so sehr auszeichnct unter den Völkern Europas, waren die treuen Lebensgefährten auch unsrer drei Fremden. In den ersten sechs Jahren der projektirten streife hatten sie sich regelmäßig die Hauptwerke gebildeter Buch händler angeschafft, nämlich erstlich das Börsenblatt und dann den Meßkatalog. Aus diesen vornehmsten Quellen buchhändlerischcr Kenntnis und Bildung hatten sie sich sechs volle Jahre unterrichtet: einerseits wieder deutsche Buch handel betrieben wurde, und anderseits was die Betriebsam keit der deutschen Buchhändler zu Tage förderte. Aber wäh ren dieser sechs Jahre hatte sich fortdauernd bald ein Fami- lienercigniß, bald eine Unpäßlichkeit, bald irgend eine Bedenk lichkeit zwischen das Projekt der Reise und seine Ausführung gedrängt- Mittlerweile waren auch sowohl das Börsen blatt als der Meßkatalog immer mehr angeschwollen, was endlich den Transport so sehr vcrtheuertc, daß unsere drei, bedächtigen und sparsamen Freunde beschlossen, beide Werke > einstweilen aufzugcben, bis der Himmel ihnen gestatten würde, selbst einmal den Stapelplatz deutscher Buchhändler zu befahren- So kam es denn, daß, als im Jahr 1851 die Sonne kräftig und erwärmend unsere arme Erde beschien, und ein neuer Frühling aufgegangcn war, der neuen Muth und neue Lust und frisches Leben unter die Menschen aus- spcndcte, auch unsere drei Freunde mit eincmmale alle hem menden Zwischenfälle über den Haufen warfen, und endlich, ohne jetzt auf irgend eine Schwierigkeit zu treffen, in einer 8r Jahrgang. Stunde das ausführtcn, was sie seit 20 Jahren nicht ver mocht. Hier aber bewies es sich nun klar und deutlich, wie gefähr lich nicht nur die raschen, sondern überhaupt alle Entschlie ßungen sind; seit dem Jahre 1841 ohne Börsenblatt und Mcßkatalog, wußten unsere Collegen nichts von den Refor men, die inzwischen den deutschen Buchhandel betroffen hat ten. Schon beim Anblick des Meßkatalogs, der diesmal nur ein kleines Heft von 6^ Bogen war, faßte sie ein be fremdlicher Schauer; als aber gar die Expedition des Bör senblattes ihnen die Nummern dieses Blattes gratis über sandte, und der Jahrgang statt aus 250 Bogen nur aus circa 50 Bogen bestand, da sahen sich unsere Freunde kopf schüttelnd an, und merkten wohl, daß sich irgend etwas Un glaubliches müsse begeben haben. Hinaus eilten sie auf die Straße, um fremde Collegen zu besuchen und sich von ihnen Auskunft über diese merkwürdigen Neuerungen zu holen, aber Himmel, sie waren die einzigen Fremden ! Was ist aus unfern Collegen geworden, was aus dem deutschen Buch handel, aus der goldenen, alten Zeit? Kommt, sagte der Aeltcre, wir wollen vorerst unfern alten Freund und Collc- gcn besuchen, der soll uns Bescheid geben, und dann, ich merke cs schon! laßt uns heimkehrcn, und friedlich enden, wie wir begonnen. In seinem Laden vor einer Masse Handlungsbüchcr fanden sie das würdige Haupt der guten alten Zeit, welcher beim Anblick der fremden Buchhändler einen Schrei der Freude aussticß! „Wie?" sagte er, „gicbt es wirklich noch fremde Buchhändler auf der Messe? Nicht Meßfrcmde, Meß raritäten sind Sie, und zwar die einzigen seit Jahren." Hier erfuhren unsere Freunde denn die ganze große Umwandlung, mit allen Zeichen einer tiefen, aufrichtigen Indignation er zählte ihr alterGeschäftsfreund ihnen, wie schon in den dreißiger Jahren ein verwegener Neuerer von Zeit zu Zeit in das Rcformhorn geblasen habe, damals aber, da die Mehrzahl 79